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Sonntag, 21. August 2011

Turkmenistan?



Mit einem 3-Tages Transitvisum in der Tasche überqueren wir die Turkmenische Grenze. Es ist lediglich ein Kurzbesuch aber trotzdem werden wir dieses kleine merkwürdige Land noch lange in Erinnerung halten. Strom, Wasser und Gas ist für alle Turkmenen kostenlos. Benzin kostet 40 Rappen pro Liter und eine Wohnung 10 Franken pro Jahr. Nach den Abfallsündern im Iran erleben wir hier einen ungewohnten Umgang mit natürlichen Ressourcen. Es kann schon mal vorkommen, dass man den Gasherd über Nacht brennen lässt, da die Streichhölzer verlegt wurden. Wir finden jedoch keineswegs einen hohen Lebensstandard vor, denn Arbeit ist rar und ein gutes Einkommen beträgt lediglich 300 Dollar im Monat. Um so fremder erscheint uns die Stadtplanung der Grösseren Orte. Breite blitzblanke Strassen, gesäumt von pompösen staatlichen Bauten und vollgespickt mit Monumenten und Statuen, sind wohl einerseits die Überbleibsel der Sovietunion aber auch Folge des massiven Personenkults um den verstorbenen Präsidenten Niyazov, dem selbsternannten Vater der Turkmenen. Sein Bild ziert jedes grössere Gebäude und wird wohl täglich auf Hochglanz poliert. Auch aufgrund des ausgiebigen Konsums von Vodka, haben wir das Gefühl in Russland angekommen zu sein, jedoch das Äussere des Turkmenen lässt uns die Nähe zur Mongolei erahnen.


In 3 Tagen müssen wir also Turkmenistan durchqueren. Mit dem Fahrrad eine fast unmögliche Aufgabe und so halten wir bereits kurz nach der Grenze Ausschau nach Mitfahrgelegenheiten. Zu später Stunde findet uns das Glück und wir können unsere beiden Esel in einen Kleintransporter verladen. Vater und Sohn, mit frisch eingekauften Waren unterwegs für den Markt nehmen uns mit bis nach Mary, eine Stadt die eigentlich gar nicht existiert. Einen Stadtkern sucht man vergebens und aufgrund der unangenehmen Hitze sind die Strassen leergefegt. Nach einer geruhsamen Nacht bei unserem Chauffeur zuhause verlassen wir die Stadt in Richtung Norden. Die Karakum Wüste durchqueren wir mit einem grossen Metalltransporter und erreichen spät abends Turkmenabat. Die Suche nach einem geeigneten Hotel gestaltet sich schwierig, denn alle Hotelzimmer sind aus schmudeligen Gründen ausgebucht. Wir können letztendlich einen Nachtportier überzeugen uns auf der Lobbycouch übernachten zu lassen, zumindest bis zum Ende seiner Schicht um 5 Uhr.


Nach wenigen Stunden Schlaf werden wir auch schon geweckt und nach draussen beordert. Wir lernen Ashgar kennen, der gerade von der Hauptstadt hergeflogen war um die Familie zu besuchen. Wir verbringen unseren letzten Tag mit ihm und seinem Kollegen. Vodka trinken bereits um neun Uhr morgens, baden am City-Beach, Bier trinken, kleines Schläfchen und eine Runde Vodka. Nach diesem sinnreichen Tag wollen wir uns ein gutes Abendessen gönnen. Wir schlemmen, tanzen und trinken. Beim rausgehen will unser Kollege bei einer kleinen Auseinandersetzung mit der Polizei schlichten und wenige Minuten später befinden wir uns alle vier in einem Polizeiauto in Richtung Polizeiwache. Das Auto, von den Polizisten selbst auch „Retro-Mobile“ genannt wurde wohl in den 60er Jahren produziert. Die Bremsen funktionieren nicht und gestartet wird mit der Kurbel. Drei von uns sind hinten im winzig kleinen Zwinger eingeklemmt, doch glücklicherweise ist die Wache gleich um die Ecke. Da wir uns ziemlich sicher sind, dass man uns nichts anhaben kann und die Beamten ziemlich gut gelaunt sind gehen wir mit einer gewissen Neugierde an die Sache ran. Man will unsere Pässe sehen, die wir jedoch nicht mit uns tragen. Da wir uns eine Zigarette genehmigen will uns der extra heranberufene Migrationsbeauftragte nicht glauben, dass wir Sportler und mit dem Fahrrad unterwegs sind. Unsere Gastgeber werden befragt und gerügt, da sie fremde aufnehmen und nichts über sie wüssten. Wir könnten vom KGB sein war der Grundtenor unter den Beamten. Etwa um 2 Uhr nachts war es endlich soweit und der Beschluss war gefasst. Die beiden Schweizer müssen heute noch die Stadt verlassen. Mit mehreren Autos fahren wir zum Haus unseres Gastgebers, zeigen die Pässe und ziehen uns die Velohosen über. Wir wollen die Geduld der Polizisten noch ein bisschen auf die Probe stellen und lassen uns extrem lange Zeit. Nach einer Weile ziehen sie ab und beauftragen einen Taxifahrer uns aus der Stadt in Richtung Usbekische Grenze zu geleiten. Der Fahrer entpuppt sich als Hip-Hop Fan und so werden wir mit 2Pacs „That’s just the way it is“ aus Turkmenabat eskortiert.


Durch das lange warten auf der Polizeiwache, war die Aktion ein bisschen mühsam auch wenn uns die zu Dutzenden herangekarrten besoffenen Turkmenen immer wieder aufheiterten. Im Grossen und Ganzen wars jedoch durchaus spannend zu sehen, wie die Polizisten alles und jeden beschuldigen. Ganz egal ob da überhaupt etwas vorgefallen war oder nicht. Das alles war wohl vor allem ein Produkt der Langeweile auf Seiten der Beamten.

Samstag, 20. August 2011

„Welcome to Iran“


Nach den Anstrengungen im hügeligen Osten der Türkei nehmen wir es im Iran ein bisschen gemütlicher. Da wir die Visa für die Weiterfahrt organisieren müssen, bleibt uns Zeit um die Islamische Republik mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bereisen. Ein Land das vor allem durch die unglaubliche Gastfreundschaft und Liebe zu Fremden besticht, aber auch unheimliche Kontroversen aufweist.

Wir erreichen den Grenzübergang zum Iran und eine gewisse Nervosität macht sich in unseren Köpfen breit. Was wir  in diesem, dem Westen gegenüber angeblich so feindlich eingestellten und zugleich religiös konservativen Land wohl erleben werden?  Wir kennen die vorwiegend negativen Berichte unserer Medien und zugleich die unzähligen positiven Reiseberichte aus dem Internet. Diese sich widersprechenden Informationen lassen irgendwie erahnen, dass uns der Iran noch einige Male überraschen wird. Und so ist es denn auch: wer hier nur tief religiöse, konservative, durch die internationalen Sanktionen und Zensuren von dem Rest der Welt abgeschottete Menschen erwartet, liegt falsch. Die Iraner begegnen uns mit viel Offenheit und Wissensdurst. Nach dem obligaten „welcome to Iran“ folgen meist eine Reihe von Fragen nach der Herkunft, der Beschäftigung, dem Vorhaben und besonders wichtig ist die Frage bezüglich der Meinung zum Iran. Durch das Umgehen der Sperren im Internet und Fernseher wissen die Iraner sehr wohl was auf der Welt abgeht und sind sich auch des eher negativen Images in den westlichen Medien bewusst.  Sie wollen uns unbedingt zu verstehen geben, dass es einen grossen Unterschied zwischen den Leuten und der Regierung gibt.


Totale Kontrolle

In der Hauptstadt Tehran müssen die Visa für die Weiterfahrt nach Turkmenistan und Usbekistan beantragt werden und so verbringen wir die ersten Tage in dieser stickigen 15-Millionen Metropole. Wir tauchen ein in eine Gesellschaft voller Zwänge und Kontroversen. Natürlich interessieren wir uns dafür, wie es wohl sein mag unter einem solch repressiven Regime zu leben. Die Gesichter des Revolutionsführers Ayatollah Chomeini und seines Nachfolgers Ayatollah Chamenei sind allgegenwärtig und erscheinen uns anfangs noch eindrücklich. Nach einer gewissen Zeit und vielen Begegnungen wandelt sich unsere Einstellung, diesen zwei Greisen gegenüber hin zur totalen Abneigung. Nur mit einem äusserst stark ausgeprägten Repressionsapparat, bestehend aus Revolutionswächtern und einer skrupellosen Geheimpolizei kann ein solch kleiner Teil der Bevölkerung die enorm grosse Gegnerschaft in Schach halten. Vor allem letztere hat bei den Protesten vor 3 Jahren ihre Kompromisslosigkeit und Einschüchterungstalent unter Beweis gestellt. In Zivil bewegt sie sich unter den Menschen, kontrolliert die Einhaltung der Unmengen von Verhaltensregeln und verfolgt Homosexuelle. Wir hören gruselige Geschichten von inszenierten Raubüberfällen und Folter. Kein Wunder wollen ganze Generationen in liberalere und humanere Regionen auswandern. Durch die vorherrschenden Umstände existieren Parallelgesellschaften und Kontroversen. Die verbotenen Konsumgüter gibt es in rauen Mengen und die Partys finden hinter verschlossenen Türen statt. Es müssen grosse Risiken eingegangen werden die Bedürfnisse nach Spass und Unterhaltung zu befriedigen. Wieviele Iraner und Iranerinnen wirklich hinter der Regierung stehen und ein streng religiöses Leben verfolgen bleibt uns letztendlich verborgen, denn natürlich gehen die westlich orientierten Regierungsgegner viel öfter auf ausländische Besucher zu und so ist unser Bild der Bevölkerung wahrscheinlich etwas verzerrt.

Iranische Gastfreundschaft

Um der ungesunden Luft zu entkommen machen wir uns auf ins nördlich gelegene Allamut Valley. Wir erleben, wie sich zwei Familien darum streiten uns als Gäste hofieren zu dürfen. Die besseren Argumente obsiegen und so landen wir wenig später an einer Hochzeit. Die Festivitäten dauern zwei Tage lang. Wir werden im Feriendomizil einer Grossfamilie nach Strich und Faden verwöhnt. Am dritten Tag geht’s nach Qazvin, der ersten Hauptstadt des Irans und gleichzeitig dem Wohnort unserer Gastgeber. Wir verspüren das Bedürfnis, uns aus den Fängen der Gastgeber zu lösen um wieder etwas flexibler und spontaner unterwegs zu sein. Aber nix da, auch der nächste Tag ist bereits für uns durchgeplant. Zum guten Glück haben die Gastgeber Ferien in Armenien geplant, sodass wir nach fünf Tagen wieder auf freiem Fuss sind. Mit Tränen in den Augen und wertvollen Abschiedsgeschenken werden wir verabschiedet. Wir sind einerseits etwas erschöpft, weil wir uns eine solch umfangreiche Gastfreundschaft nicht gewohnt sind, aber auch dankbar für die Einblicke in den Iranischen Alltag.



Ja der Iran ist eine spannende Materie. Auf jeden Fall lohnt es sich in Zukunft die Geschehnisse genau zu verfolgen, denn die Iranische Bevölkerung lechzt nach Veränderung.