Nach den Anstrengungen im hügeligen Osten der Türkei nehmen wir es im Iran ein bisschen gemütlicher. Da wir die Visa für die Weiterfahrt organisieren müssen, bleibt uns Zeit um die Islamische Republik mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bereisen. Ein Land das vor allem durch die unglaubliche Gastfreundschaft und Liebe zu Fremden besticht, aber auch unheimliche Kontroversen aufweist.
Wir erreichen den Grenzübergang zum Iran und eine gewisse Nervosität macht sich in unseren Köpfen breit. Was wir in diesem, dem Westen gegenüber angeblich so feindlich eingestellten und zugleich religiös konservativen Land wohl erleben werden? Wir kennen die vorwiegend negativen Berichte unserer Medien und zugleich die unzähligen positiven Reiseberichte aus dem Internet. Diese sich widersprechenden Informationen lassen irgendwie erahnen, dass uns der Iran noch einige Male überraschen wird. Und so ist es denn auch: wer hier nur tief religiöse, konservative, durch die internationalen Sanktionen und Zensuren von dem Rest der Welt abgeschottete Menschen erwartet, liegt falsch. Die Iraner begegnen uns mit viel Offenheit und Wissensdurst. Nach dem obligaten „welcome to Iran“ folgen meist eine Reihe von Fragen nach der Herkunft, der Beschäftigung, dem Vorhaben und besonders wichtig ist die Frage bezüglich der Meinung zum Iran. Durch das Umgehen der Sperren im Internet und Fernseher wissen die Iraner sehr wohl was auf der Welt abgeht und sind sich auch des eher negativen Images in den westlichen Medien bewusst. Sie wollen uns unbedingt zu verstehen geben, dass es einen grossen Unterschied zwischen den Leuten und der Regierung gibt.
Totale Kontrolle
In der Hauptstadt Tehran müssen die Visa für die Weiterfahrt nach Turkmenistan und Usbekistan beantragt werden und so verbringen wir die ersten Tage in dieser stickigen 15-Millionen Metropole. Wir tauchen ein in eine Gesellschaft voller Zwänge und Kontroversen. Natürlich interessieren wir uns dafür, wie es wohl sein mag unter einem solch repressiven Regime zu leben. Die Gesichter des Revolutionsführers Ayatollah Chomeini und seines Nachfolgers Ayatollah Chamenei sind allgegenwärtig und erscheinen uns anfangs noch eindrücklich. Nach einer gewissen Zeit und vielen Begegnungen wandelt sich unsere Einstellung, diesen zwei Greisen gegenüber hin zur totalen Abneigung. Nur mit einem äusserst stark ausgeprägten Repressionsapparat, bestehend aus Revolutionswächtern und einer skrupellosen Geheimpolizei kann ein solch kleiner Teil der Bevölkerung die enorm grosse Gegnerschaft in Schach halten. Vor allem letztere hat bei den Protesten vor 3 Jahren ihre Kompromisslosigkeit und Einschüchterungstalent unter Beweis gestellt. In Zivil bewegt sie sich unter den Menschen, kontrolliert die Einhaltung der Unmengen von Verhaltensregeln und verfolgt Homosexuelle. Wir hören gruselige Geschichten von inszenierten Raubüberfällen und Folter. Kein Wunder wollen ganze Generationen in liberalere und humanere Regionen auswandern. Durch die vorherrschenden Umstände existieren Parallelgesellschaften und Kontroversen. Die verbotenen Konsumgüter gibt es in rauen Mengen und die Partys finden hinter verschlossenen Türen statt. Es müssen grosse Risiken eingegangen werden die Bedürfnisse nach Spass und Unterhaltung zu befriedigen. Wieviele Iraner und Iranerinnen wirklich hinter der Regierung stehen und ein streng religiöses Leben verfolgen bleibt uns letztendlich verborgen, denn natürlich gehen die westlich orientierten Regierungsgegner viel öfter auf ausländische Besucher zu und so ist unser Bild der Bevölkerung wahrscheinlich etwas verzerrt.
Iranische Gastfreundschaft
Um der ungesunden Luft zu entkommen machen wir uns auf ins nördlich gelegene Allamut Valley. Wir erleben, wie sich zwei Familien darum streiten uns als Gäste hofieren zu dürfen. Die besseren Argumente obsiegen und so landen wir wenig später an einer Hochzeit. Die Festivitäten dauern zwei Tage lang. Wir werden im Feriendomizil einer Grossfamilie nach Strich und Faden verwöhnt. Am dritten Tag geht’s nach Qazvin, der ersten Hauptstadt des Irans und gleichzeitig dem Wohnort unserer Gastgeber. Wir verspüren das Bedürfnis, uns aus den Fängen der Gastgeber zu lösen um wieder etwas flexibler und spontaner unterwegs zu sein. Aber nix da, auch der nächste Tag ist bereits für uns durchgeplant. Zum guten Glück haben die Gastgeber Ferien in Armenien geplant, sodass wir nach fünf Tagen wieder auf freiem Fuss sind. Mit Tränen in den Augen und wertvollen Abschiedsgeschenken werden wir verabschiedet. Wir sind einerseits etwas erschöpft, weil wir uns eine solch umfangreiche Gastfreundschaft nicht gewohnt sind, aber auch dankbar für die Einblicke in den Iranischen Alltag.
Ja der Iran ist eine spannende Materie. Auf jeden Fall lohnt es sich in Zukunft die Geschehnisse genau zu verfolgen, denn die Iranische Bevölkerung lechzt nach Veränderung.
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