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Montag, 30. Mai 2011

Sarajevo - Pristina (Peja)


Der Verzerr von schlechtem Essen kann auch Vorteile haben: man findet viel Zeit seinen Blog aufzuarbeiten, da Velo fahren eh kein Thema ist. So liegen wir nun bereits 72 Stunden im Hotelzimmer und bewegen uns eigentlich nur bis zur Toilette. Aber es gibt definitiv spannenderes zu Erzählen:

Die Strecke von Sarajevo nach Pristina führte uns durch viele wilde Täler und nette Berge. Weite Teile der Strecke haben wir auf Nebenstrassen und unasphaltierten Strecken zurückgelegt, was einiges ungewisser und abenteuerlicher war als die Sonntagsspazierfahrt der kroatischen Küste entlang. So wechselte eine perfekte Teerstrasse abrupt in eine Schotterstrasse mit unzähligen unbeleuchteten Tunnels. Ein 45 Kilogramm schweres Fahrrad auf löcherigem, steinigem Untergrund durch stockdunkle Tunnels zu steuern ist schwieriger als man denkt.  Als uns dann noch ein Erdrutsch die Strasse versperrte und sich just beim Passieren des Abschnitts ein weiterer Teil des Abhangs löste, hatten wir genug Abenteuer und so pedalten wir möglichst schnell zum nächsten Bier.

Bei einer Tankstelle kauften wir eine serbische Strassenkarte, wobei wir erst später bemerkten, dass auf der Karte alle Bäder und Mineralquellen eingezeichnet waren. Und voilà, auf unserer Route war tatsächlich ein Bad eingezeichnet. Voller Elan kamen wir stinkig und schwitzig beim Bad, leider nein, der Rehabilitationsklinik an. Wir freuten uns auf warmes Wasser, Whirlpool was wir aber vorfanden war nur einen schäbigen Pool. Schon fast aufgegeben fragten wir wie es denn eigentlich mit einer Massage aussehe? Nur 10 Euro für 60 Minuten? Darum liessen wir uns nicht zweimal bitten und so wurden wir geknetet wie die Könige während uns die lieben Krankenschwestern gleichzeitig das Nachtlager organisierten.

Weiter in den Kosovo... Die Überwachung der Kosovarischen Grenze ist beeindruckend. Auf den naheliegenden Hügeln ist die KFOR und die amerikanische Armee mit schwerem Geschütz in Stellung. Beim einfahren hoffen wir, dass sie uns Velogeeks nicht als UFO (unbekanntes fahrendes Objekt) identifizieren und uns wegsprengen. Doch weitgefehlt, die EUROLEX Beamten an der Grenze laden uns zum Kaffee ein und erzählen uns von ihren Missionen im Kosovo, in Kabul oder anderweitig auf der Welt. Anscheinend versuchen „Kriminelle“ die Lage vor Ort zu destabilisieren, in dem sie den Grenzübergang angreifen wobei sie es aber vor allem auf das Material und weniger auf die Menschen abgesehen haben. Überhaupt ist es unglaublich wie viele EUROLEX Autos und ausländische Militärs wir im Norden von Kosovo passieren. Was die genau alle machen, abgesehen von auf der Strasse herumfahren, bleibt für uns eher unklar.

Pristina zählt ungefähr 400'000 Einwohner und ist eine sehr dynamische Stadt. Wir haben Glück, denn durch einen vermittelten Kontakt bekommen wir einen sehr guten Zugang zur sehr jungen und aufblühenden Stadt. Alban ist 30 Jährig und verdient sein Geld mit seiner künstlerischen Ader. Seine Bilder und Installationen sind europaweit zu finden. Er zeigt uns seine liebsten Plätze und stellt uns seinen Freunden vor, vornehmlich aus einer gebildeten Mittelschicht, wie es uns scheint. Uns beeindrucken die Geschichten über Flucht während dem Krieg, dem Leben mit politischem Asyl und der Rückkehr in ein Land, das sich zwar im Aufbau befindet aber sehr wenige Möglichkeiten bietet. Der Respekt wächst und wir fragen uns wie wir mit solch vielen Kehrtwendungen im Leben und ohne sicheren Hafen umgehen könnten.

Mit dem Wunsch noch mehr von diesem kleinen Land zu sehen, machen wir uns auf in Richtung Westen, was zwar einem Umweg gleichkommt, uns aber eine wunderschöne bergige Landschaft bieten soll. Was wir bekommen ist 4 Tage Hotelzimmer und Bettruhe, eher suboptimal... So, wir glauben jetzt unseren Körpern genug Ruhe gegönnt zu haben. Wir verlassen jetzt Peja in Richtung Skopje und Griechische Küste, denn wir wollen unbedingt ga bajen!


Dienstag, 17. Mai 2011

Cista Velika - Sarajevo




Welcome to Bosnia-Herzegovina!

Die Fahrt von Cista Velika auf Mostar entpuppte sich als harte und anstrengende Angelegenheit. Wir hatten Cista etwas spät verlassen, weil wir noch Babas Mittagstisch mit Lamm und Huhn geniessen wollten. Dies hatte zur Konsequenz, dass es langsam eindunkelte und Mostar wollte und wollte einfach nicht auf der Bildfläche erscheinen. Also gaben wir richtig Gas, doch mit schon 90km in den Beinen, warteten nach den Kurven immer wieder Steigungen auf uns. Auf dem Pass angekommen, es war bereits dunkel, erstreckten sich unten im Tal die Lichter von Mostar und wir bretterten mit 50kmh genussvoll die Strasse runter. Und was braucht man nach 90km? Einen grossen Teller Spaghetti und ein kühles Bier!

Mostar hat uns positiv überrascht. Die Stadt hat ca 120'000 Einwohner und es scheint als wären um die 60% unter 25 Jahre alt. Die Atmosphäre ist locker und entspannt. Vom Krieg ist abgesehen von zerschossenen Fassaden und vielen Friedhöfen nicht viel zu spüren. Die Stadt ist in ein katholisches und muslimisches Viertel aufgeteilt, doch seien die Anwohner der Viertel inzwischen gemischt, erzählt uns Emir, unser Host. Im Allgemeinen erhalten wir den Eindruck, dass diese Aufteilung in den Köpfen der Jungen Menschen keine Rolle mehr spielt, auch wenn sich beim zweimal jährlich stattfindenden Fussballderby, die rivalisierenden Hooligans regelmässig auf die Kappe geben. Dies sei aber etwas anderes, werde jedoch von gewissen Kreisen politisiert, verrät uns Emir. Die jungen Bosnier wollen nichts als eine Zukunft, einen Job, zeigen jedoch eine gewisse Resignation, da sie die Hoffung in die Politiker längst aufgegeben haben.

Nach zwei Tagen verliessen wir Mostar in Richtung Sarajevo. Die Strasse führte uns durch ein enges Tal mit vielen Tunnels. Die vielen netten Begegnungen mit Bosnischen Lastwagen nahmen uns die Lust am pedalen und so stiegen wir auf den Zug um. Endlich konnten wir die Landschaft ohne zu Berg stehende Haare im Nacken geniessen. In Sarajevo angekommen empfingen uns zwei radelnde Franzosen, die im Park ihre Zirkusnummer übten. Sie sind 10 Monate unterwegs und so sehen sie auch aus. Zurück in Frankreich wollen sie von ihren erlernten Kunststücken leben. Sie haben spannende Geschichten zu erzählen und wir fragen uns ob wir auch als Hippies enden werden. Wir stürzen uns rein ins Nachtleben von Sarajevo; Konzerte gesponsert und zur Feier der EU und ein massiv überfüllter, mit drängelnden bosnischen Muskelmännern und stickiger Luft ausgestatteter Schuppen sind die Erlebnisse dieses feuchtfröhlichen Abends. Zum Frühstück gibt es für läppische zwei konvertierte Mark je einen Boerek – und rein in die Pfanne!

Beim Frizerski versuchen wir unser Aussehen an die Umgebung anzupassen. Der leicht übergewichtige und paffende Friseur zaubert uns zwei Quadratfrisuren wie aus dem Bilderbuch auf den Kopf. Frisch quadriert stolzieren wir ins historische Museum um unser Wissen über die bewegte Bosnische Geschichte aufzufrischen. Leider hat das Wetter umgeschlagen, es ist kalt und regnerisch – wir entschliessen uns für einen Kinoabend mit 3D Brille und einer extrem schlechten Filmstory (The Priests).

Aufgehts nach Pristinha!


Pag - Cista Velika




In den vergangenen Tagen hatten wir an der kroatischen Küste immer wieder mit Bura und Yugo zu kämpfen – die zwei kroatischen Winde lassen nie ganz locker. Sie sind die ständigen Begleiter und sehr tückisch. Manchmal glauben wir, Bura sei schon schlafen gegangen um dann in der nächsten Kurve aufzuschrecken, wenn er wieder versucht uns in den Graben zu stossen. Bura versucht auch immer wieder uns um unseren Schlaf zu bringen, indem er die Zeltwand peitschen lässt.

Abgesehen von diesen zwei eher mühsamen Begleitern, ist die kroatische Küste wirklich traumhaft schön. Das Meer ist türkisblau und die Sonnenauf – und untergänge oft voller Dramatik. Leider ist das Meer noch sehr kalt, wahrscheinlich Aaretemperatur, was bei uns eine gewisse Zurückhaltung auslöst.

Das Leben in unserem schönen Zelt gefällt uns; einschlafen und dabei den Wind und das Meer zu hören, die frische Luft einatmen und durch das Vogelgezwitscher aufzuwachen vermittelt ein starkes Gefühl von Freiheit – Immer wieder wird uns während dem fahren bewusst wie privilegiert wir sind. Wie viele Menschen kriegen die Chance diesen wunderschönen Planeten in solcher Weise anschauen zu können, sich einfach treiben zu lassen um alles in sich aufzusaugen. Es ist ein unglaubliches Geschenk unseres Lebens diese Reise machen zu können.

In Sibenik hat uns Sandra bei sich zu Hause eingeladen. Sie hat uns das schöne Städtchen gezeigt und wir haben viel zusammen geplaudert und einiges über Kroatien in Erfahrung gebracht, so z.B. dass oft, stark und zurecht über Geldnöte geklagt wird, jedoch politische Themen wenn überhaupt nur am Küchentisch diskutiert werden – Status Quo ahoi! Die Konzum-Kassenfrau (Konzum = Coop) verdient nur 600 Kuna im Monat t, also ungefähr 100 CHF: Dies ist unglaublich wenn man bedenkt, dass wir beide knapp mit 200 Kuna pro Tag auskommen können. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum Sandra’s Familie viele Produkte selber anbaut. Wir wurden verwöhnt mit selbstgemachten Wein, Olivenöl, Schnaps und frischem Gemüse und Miesmuscheln. Einmal selber anzubauen und eigene Produkte bruzzeln steht bei uns seither hoch im Kurs, Lebensqualität pur. Allgemein sollte man unsere Reise teilweise in bike’n’eat umbenennen, denn was wir tagtäglich in uns reinfuttern, essen normale Menschen in einer Woche...

Gestärkt mit Lamm und Poulet mit Kartoffeln, Karotten und Zwiebeln aus dem Garten von Baba Sonjic machen wir uns auf den Weg in Richtung Bosnische Grenze. Nach einer wohlig geträumten Nacht in einem grossen kuscheligen Doppelbett und der bisherigen Sonntagsfahrt entlang der Adriaküste, wird’s jetzt im Hinterland wahrscheinlich hügeliger, anstrengender und abenteuerlicher. Auf geht’s nach Sarajevo!

Donnerstag, 5. Mai 2011

Trieste - Pag




Endlich geschafft. Auf der kroatischen Insel Pag sitzen wir nun in unserem Zelt, etwa 12 Meter vom türkisblauen Meer entfernt und schreiben unseren zweiten Blogeintrag.

Beginnen wir mit dem letzten Sonntag, dem 1. Mai – einen Tag wie man ihn als Reisender liebt: Wir wachen frühmorgens auf dem Universitätsgelände von Trieste auf und brauchen eigentlich dringend eine Toilette – doch weit gefehlt. Eine ¾ Stunde später finden wir endlich Erleichterung in einem Café. Weiter geht’s auf Internetsuche, leichter gesagt als getan. Der Computer funktioniert auch nicht wie er sollte und unsere Nerven liegen schon bald blank. Und ja shit, es ist Sonntag, alle Läden sind geschlossen, wir haben einen riesen Hunger und Zigis haben wir auch keine mehr. Und wo schlafen wir eigentlich heute Nacht, siehst du die Gewitterwolken am Horizont?! Nach langem hin und her und planlosem herumlungern entschliessen wir uns spät Nachmittags glücklicherweise doch noch zum Aufbruch und fahren die Hügel hinter Trieste hoch – wir werden mit einer schönen Wiese zum campen und einer saftigen Ananas zum Abendessen belohnt.

Am darauffolgenden Tag durchqueren wir Slowenien. Wir sind begeistert von den Schweinen, die am Strassenrand aufgespiesst am offenen Feuer vor sich hin brutzeln. Am Nachmittag bestellen wir also 1 Kilo Schweinefleisch und schaffen es noch knapp nach Rijeka runter.

Weiter geht es die wunderschöne kroatische Küste runter. Die Landschaft ist atemberaubend. Zum Gegenspieler haben wir Bura und Yubo, die zwei kroatischen Winde die versuchen uns in den Strassengraben zu stossen – sie schaffen es nicht!

Sonntag, 1. Mai 2011

Lavin - Trieste


Für den 1. Mai haben wir uns zur Feier des Tages Zeit genommen endlich einen ersten Eintrag zu posten. Nach diversen regnerischen Nächten im Zelt und intensiver Zink-Salben Therapie geniessen wir in Trieste den letzten Cappuccino bevor wir die Slowenische Grenze passieren.

Rückblickend lässt sich sagen, dass das Startprozedere – oohh wie erstaunlich – anders von statten ging als wir uns das vorgestellt hatten. Anstatt an einem sonnigen Vormittag von Bolligen aus loszuradeln, haben wir uns in einer Nacht und Nebel Aktion per Zug aus dem Staub gemacht. In Zürich wurde der erste Ruhetag einberufen um mit ein bisschen Abstand noch einmal über das Vorhaben nachzudenken. Trotz unseren tollen Mädels und dem wunderschönen Grill auf der Terrasse war die Zeit reif am nächsten Tag loszuziehen. Und ja, kontrovers zur Idee mit dem Fahrrad zu reisen nahmen wir wieder den Zug. Diesmal nach Lavin (Engadin), um dann mit dem Fahrrad nach Tschlin, zu Marchet’s Grosseltern zu fahren. Von nun an gings nur noch mit dem Velo voran. Über den Reschenpass und den wunderschön ausgebauten Radelwegen sind wir Richtung Venedig gebraust. Wir waren wohl noch etwas übermütig vom Anblick der Adria als wir uns entschieden die Freiheitsbrücke nach Venedig zu überqueren um das Städtchen zu „schnöiggen“. Denn genau diese Brücken wurden uns zum grossen Verhängnis. Rollstuhl fahren in Venedig ist nix und so haben wir unsere 50-Kilo-Esel über insgesamt 12 Brücken getragen, bis zur totalen Erschöpfung und zur Belustigung der vielen Touris. Um das schmucke Städtchen zu geniessen haben wir uns einen freien Tag genommen und uns unter die Touris gemischt. Hierzu haben wir ein kleines Rätsel bezüglich dem folgenden Bild: Wo ist Chetimon? Die erste schlüssige Lösungsantwort gewinnt ein Überraschungsgeschenk aus dem fernen Osten.

Um uns der italienischen Kultur etwas anzunähern haben wir auf dem Weg nach Trieste einen regionalen Songcontest besucht. Man muss sich ein überdimensional grosses Zelt mit Bühne vorstellen mit einem leicht gräulichen Publikum, zwei übermotivierten Moderatoren, aufwendige Kostüme gemixt mit schlechtem Gesang – ein herrlicher Abend!